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Gedächtnisprotokolle der Sprachlosigkeit

Zeitzeug*innentheater geht in die zweite Runde

Premiere: Sonntag, 21 November 2021

17:00 - 19:00 Uhr im FORUM Volkshochschule im Museum am Neumarkt
Wir bitten um vorherige Anmeldung unter pysmenna@ns-beratung.de

Im Rahmen von »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«.

„Haben Sie manchmal Angst, dass sich der Holocaust wiederholt?“ – diese Frage brennt unter den Nägeln. Einmal ausgesprochen, halten die Fragenden die Luft an. Die Augen weiten sich. Das Warten auf die Antwort kann sich lang anfühlen. Das Nachdenken über die eigene Antwort auch.

Fragen, das sind die Fundamente des Zeitzeug*innentheaters: Was hat der Holocaust mit mir und meiner Familie zu tun? Mit meinem Leben heute? Im Projekt „Gedächtnisprotokolle der Sprachlosigkeit“ haben vier Generationen von Zeitzeug*innen, Überlebende und ihren Nachkommen, versucht, gemeinsam mit jungen Darsteller*innen Antworten zu finden. Aus dem Fragenstellen sind Interviews mit den Betroffenen entstanden, sind Reflexionen, Improvisationen geworden, sind Fragen und Antworten in die Performance eingeflossen. Vieles bleibt unaussprechlich, findet seinen Ausdruck aber dann in der Bewegung und wird so neu zu Protokoll gegeben.

Das Projekt zeigt in drei Teilen mögliche Antworten – und eröffnet die Möglichkeit für neue Fragen. Nach der Vorführung der Videoperformance öffnet sich der Raum dafür: Per Videochat können die Zuschauenden ihre eigenen Gedanken teilen und selbst das Fragenstellen üben. Junge Menschen aus Deutschland und aus anderen Teilen der Welt, Holocaust-Überlebende und ihre Nachfahren werden ihr Bestes geben, zu antworten. Denn die Improvisation soll nicht auf dem Weg zum fertigen Stück enden. Und das Fragenstellen endet vielleicht nie.

IMPORT-EXPORT KOLLEKTIV (Schauspiel Köln) und IGIS Köln

bei Gedächtnisprotokolle der Sprachlosigkeit

Die Protagonistinnen und Protagonisten:

Herbert Rubinstein (84), erste Generation

Herbert wuchs 1936 in Czernowitz auf. Die Schoah überlebte er auch, weil seine Familie gefälschte Pässe hatte. Herberts Großmutter wurde ermordet, auch sein Vater starb im Krieg. Nach dem Krieg flüchtete er mit seiner Mutter nach Amsterdam, die beiden fanden Zuflucht bei einem Auschwitz-Überlebenden, den seine Mutter später heiratete. 1956 siedelte die Familie nach Düsseldorf um. Herbert war lange Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. Antisemitismus erlebt er bis heute. Herbert sagt: „Ich kann die Menschen nicht hassen. Auch nicht die Deutschen, von denen ich nicht wusste, ob sie früher Täter waren. Sie haben mir nichts getan. Ich habe hier viele Freunde gefunden – und dadurch Vertrauen.“.“

Grete Ionkis (83), erste Generation

Gretes Vater, gebürtiger Deutscher, kam Anfang der 1930er Jahre in die Sowjetunion, zwei Monate nach Gretes Geburt wurde er im Zuge des „Großen Terrors“ unter Josef Stalin verhaftet, der Spionage beschuldigt und nach Deutschland abgeschoben. Grete flüchtete mit ihrer Mutter und einer Großmutter nach Ksyl im heutigen Kasachstan – kurz vor dem Überfall der Deutschen auf die Sowjetunion. Antisemitismus erlebte Grete auch nach dem Krieg, zum Beispiel bei einer Kampagne gegen so genannte „wurzellose Kosmopoliten“ in Odessa, in dessen Folge ihre Familie die Stadt verlassen musste, oder bei Bewerbungen um Stellen als Hochschullehrerin. 1994 immigrierte Grete mit ihrem Mann nach Deutschland – um das Heimatland ihres unbekannten Vaters kennenzulernen.

Shulamit Baxpehler, zweite Generation

Shulamits Mutter und deren Familie wurden in das Konzentrationslager Sered‘ verschleppt, als die Mutter zwölf Jahre alt war. Von dort wurden die Juden nach Auschwitz deportiert – bevor das passierte, konnte die Familie von Shulamit fliehen. Die Eltern von Shulamits Mutter wurden verhaftete, die Mutter selbst und ihr Bruder konnten sich verstecken. Shulamits Großvater wurde in Auschwitz ermordet, die Großmutter überlebte das Lager in Birkenau. Ihr Onkel – der Bruder ihrer Mutter – erholte sich nie von den Traumata des Kriegs und muss in einer Psychiatrie leben. Shulamit lebt heute in Köln, verbringt aber einen Großteil des Jahres in Tel Aviv. Sie sagt: „Nur in Israel fühle ich mich wirklich sicher.“

Sharon Ryba-Kahn (38), dritte Generation

Sharons Großeltern haben die Schoah überlebt, einer ihrer Großväter war in Auschwitz. Die 38-Jährige ist in München aufgewachsen, später hat sie in Israel, Frankreich und in den USA gelebt. Die Geschichte ihrer Familie verarbeitet die Regisseurin dokumentarisch – zuletzt in dem Film „Displaced“, in dem sie mit ihrem Vater spricht, der bis dahin nie mit ihr über die Geschichte der Familie geredet hat. „Auf Deutschland habe ich immer noch eine große Wut“, sagt Sharon. „Ich versuche, diese Wut zu verstehen.“

Das Projekt wird vom Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte e.V. in Kooperation mit dem Schauspielhaus Köln, FORUM Volkshochschule im Museum am Neumarkt, IGIS –Schule Köln und Gesamtschule Bergheim durchgeführt.

Gefördert von: Aktion Mensch e.V., LAG, Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW, Aktionsbündnis für Demokratiestärkung und Antirassismus a.d.a., Rhein-Erft-Kreis und Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Programm „Demokratie leben“, den Verein „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.“ und aus Mitteln der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien.

Aktion Mensch e.V.